Anlage 6 Rechtsgutachten des Instituts für internationales Betreuungsrecht---------------

Wie das Vorhaben eines Elternpaares, für den Sohn optimale Gesundheits- und Vermögensvorsorge zu treffen, scheiterte.
Ein Fall von Behördenignoranz in Österreich

Ein Ehepaar, Eltern eines zu 80 % beeinträchtigten, mittlerweile erwachsenen Sohnes, wollte für diesen ein Ferienappartement in Ungarn erwerben. Vorausgehend sollte ein Gartenhaus (ebenfalls in Ungarn) mit großem, arbeitsintensivem Grundstück, welches schon im Eigentum des Sohnes stand, veräußert werden.
Hintergrund des Vorhabens war zum einen, dem Sohn die Möglichkeit zu erhalten, die gewohnten und lieb gewonnenen Ferien weiterhin in Ungarn zu verbringen. Diese regelmäßigen Erlebnisse tragen maßgeblich zur Stabilität seiner gesundheitlichen Lage bei.
Zum anderen sollte die mittlerweile für die Eltern immer beschwerlichere Arbeit, die mit der Pflege des großen Anwesens verbunden war, reduziert werden. Darüber hinaus wollten die Eltern durch den Immobilienerwerb sicherstellen, dass das Vermögen des Betroffenen und auch weitere eigene Zuwendungen an ihn gewinnbringend verwaltet werden, über das Erbteil hinaus Vorsorgevermögen aufgebaut wird und damit wirtschaftliche und steuerliche Vorteile genutzt werden können.
Nach dem österreichischen Erwachsenenschutzrecht mussten sowohl für den Verkauf des Gartenhauses als auch für den ersatzweisen Erwerb des Ferienappartements Genehmigungen des Familiengerichts eingeholt werden. Weiterhin war dazu erforderlich, dass ein durch das Gericht zu bestellender Sachwalter für den geschäftsunfähigen Sohn eingesetzt wird. Die Mutter des Betroffenen wurde sodann auch zur einstweiligen Sachwalterin bestellt. Der Verkauf wurde in der Folge abgewickelt.
Jedoch konnte dies aufgrund der verfahrensrechtlichen Bestimmungen nur mittels einer bedingten Kaufoption durchgeführt werden, was eine erhebliche Kaufreiseinbuße für die Familie bedeutete. Der Kaufpreis wurde auf Anweisung des Gerichts auf ein mündelsicheres, gesperrtes Konto einbezahlt. Soweit – so gut.
Verstörend, anmaßend und - vor allem in Hinblick auf den erwachsenenschutzrechtlichen Umgang mit behinderten Menschen und deren Angehörigen - würdelos wurde der Fall ab dem Zeitpunkt, in dem nun in der Folge die Genehmigung für den Erwerb des Ferienappartements für den Betroffenen beantragt wurde. In Erwartung, dass es sich hierbei anhand der klaren Umstände und der gesicherten finanziellen Verhältnisse um ein unkompliziertes und zügiges Verfahren handeln würde, musste die Familie erfahren, dass die Genehmigung für den Erwerb lapidar verweigert wurde.
Schon in der ersten kurzen Anhörung, bei der eventuelle Kritikpunkte oder Unklarheiten schnell beseitigt hätten werden können, wenn das Gericht sich dafür interessiert hätte, wurde die Genehmigung abgelehnt. Interessen, Wünsche und Hintergründe des Betroffenen selbst hierzu wurden im Übrigen nicht ergründet.
Die Begründung für die Verweigerung der Genehmigung war, dass es sich bei einem Immobilienerwerb in Ungarn anscheinend nicht um eine – wie für solche Fälle im Gesetz vorgeschriebene – mündelsichere Anlage für den Betroffenen handeln würde.
Dazu muss man wissen, dass es hinsichtlich solcher Entscheidungen – wie immer im Betreuungsrecht, bzw. österreichischen Erwachsenenschutzrecht – auf die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf die wirtschaftliche Situation des Betroffenen ankommt.
Diese war aber in diesem Fall optimal und ließ keinerlei Raum für Bedenken, was dem Gericht auch dargelegt wurde.
Es darf bei der Frage der Mündelsicherheit keinesfalls kurz und knapp auf die (vermeintlich) einfachste Lösung verwiesen werden, das vorhandene Vermögen beispielsweise in Sparanlagen oder sichere Wertpapiere anzulegen um sich womöglich dem etwas aufwändigeren Weg eines Immobilienerwerbs nicht aussetzen zu müssen. Denn auch im österreichischen Betreuungsrecht stehen das Wohl, die Interessen und die Wünsche sowie das allgemeine Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen im Mittelpunkt.
Diese Kriterien sind bei der Beurteilung der Frage, ob die Genehmigung erteilt wird oder nicht, grundlegend und auf jeden Fall in die Entscheidung mit einzubeziehen.
Nach österreichischem Recht wird ein Produkt dann als mündelsicher bezeichnet, wenn es die Voraussetzungen zum Anlegen von Mündelgeld erfüllt. Die §§ 215 AGBGB ff bestimmen u. a., dass Mündelgeld gerade durch den Erwerb von Liegenschaften angelegt werden kann. In § 219 AGBGB wird der Erwerb von Liegenschaften ausdrücklich als mündelsichere Anlage genannt, § 220 ABGB betrifft den Fall ausländischer Liegenschaften.
Trotz dieser Gesetzeslage verweigerte das Gericht die Genehmigung für den Immobilienerwerb. Nur durch mehrere - auf eindringliches Ersuchen durch die Familie – erfolgte Anhörungstermine, durch ausführliche Stellungnahmen an das Gericht bis hin zu einer klärenden Anfrage an das Justizministerium auf Drängen der Familie konnte bislang keine Genehmigung für den Erwerb durchgesetzt werden.
Im Zuge dieses über drei Jahre andauernden Verfahrens kam es zu erheblichen Einbußen für den Betroffenen und seine Familie. Mehrere Wunschimmobilien gingen verloren, mussten in Ungarn aufwändig gesucht und gefunden werden.
Besonders schwerwiegend waren und sind bis heute die sozialen und gesundheitlichen Folgen für den Betroffenen selbst. Für ihn war es nicht möglich, während dieser Zeit die für ihn so wichtigen, gewohnten Ferien in Ungarn zu verbringen. Dies führte aufgrund seines Krankheitsbildes dazu, dass er wochenlang auf dem gewohnten Tapetenwechsel bestand. Die Erinnerungen an vergangene Ferienerlebnisse hat ihn bis heute nicht verlassen. Besonders fehlen die preiswerten Kuranwendungen in Bad Héviz, die zur Stabilität seiner gesundheitlichen Lage beitrugen. Diese hat sich seither kontinuierlich negativ entwickelt auch deshalb, weil alle Versuche der Eltern, ähnliche Strukturen am Wohnort zu ermöglichen, erfolglos geblieben sind.
Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass allem voran Desinteresse an der gebotenen Ermittlung der Wünsche und der Präferenzen des Betroffenen durch das Gericht, mangelndes Einlassen und eklatante Fehleinschätzungen sowohl der individuellen Umstände als auch der geltenden Rechtslage bezüglich den Regeln des Vermögensschutzes und die nahezu komplett fehlende Bereitschaft des Reflektierens letztendlich zu einer Situation führen können, die einem Rechtsstaat, noch dazu in einem so sensiblen Rechtsgebiet wie dem Betreuungs- bzw. Sachwalterrecht, keinesfalls angemessen ist.
Besonders hingewiesen werden muss in diesem Fall auf die schroffe und gleichgültige Verhaltensweise, die den Eltern, die ausschließlich und vorbildlich die auf die Zukunft gerichtete, sichere vermögensrechtliche Versorgung des Sohnes im Blick haben, durch die insgesamt 6 (!) involvierten Mitarbeiter des Gerichts widerfahren ist.
Das gesamte Behördenverhalten lässt den Schluss darauf zu, als seien die zuständigen Mitarbeiter allein daran interessiert gewesen, sich so wenig Arbeit wie möglich zu machen, den Fall nach „Schema F“ und möglichst ohne zusätzlichen Aufwand abzuarbeiten – auf Kosten der Rechte des Betroffenen.
Einen traurigen Höhepunkt dieses würdelosen Umgangs mit beeinträchtigten Menschen und deren Angehörigen musste die Familie nach der Einsetzung der Richterin Mag. Theresia Fill am Bezirksgericht Klagenfurt erfahren.
Wenn sich das Betreuungs- und Erwachsenenschutzrecht in Händen von akademischen Amtsträgern befindet, die in einer solchen Art und Weise denken und handeln, ist trotz aller inzwischen zumindest in die richtige Richtung gehenden gesetzgeberischen Fortschritte noch ein immenses Stück Arbeit zu bewältigen.
Es kann in diesem Einzelfall auch nicht davon gesprochen werden, dass eine eventuell entschuldbare Fehleinschätzung einzelner Beteiligter vorliegt. Ganz im Gegenteil – wenn sogar Mitarbeiter des Justizministeriums das Verfahren juristisch beanstanden aber wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund rücken, anstatt darauf hinzuweisen, dass entscheidungserheblich im Rahmen des Erwachsenenschutzrechts vor allem zunächst die Bedürfnisse, Präferenzen und das Wohl der Betroffenen sind, muss offenbar sogar kollektives Unvermögen in Betracht gezogen werden.
Dieses Verhalten zeigt, dass es nichts mit übertriebener Dramatik zu tun hat, wenn in diesem Zusammenhang der Hinweis auf die Achtung und Wahrung der Menschenrechte, insbesondere der Persönlichkeits- und
Selbstbestimmungsrechte, bemüht wird.


Dieses Gutachten ist an prominenter Stelle auf der Website des Münchner Instituts für internationales Betreuungsrecht veröffentlicht unter
http://www.betreuungsrecht.de/category/ausland/